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Auf dem Markt in Lima: in der Mitte Maren, rechts Vera

Dieses Bild ist am Montag, 24.02. in Lima entstanden. Wir hatten in Arequipa unser Sommerprogramm erfolgreich beendet und waren in Lima am Abend vorher gelandet. Vor uns lag eine Woche Halbjahresseminar und danach vier Wochen Urlaub. Doch die Sachen liefen ein bisschen anders als geplant...

Montag war unser erster Seminartag. Gemeinsam mit anderen Volontären aus Mittel- und Süd- Amerika haben wir uns in Lima im Hauptgebäude des YMCA getroffen. Damit die Andern den Y und Lima näher kennenlernen, haben wir unsere Sachen abgestellt und das Seminar mit einer Führung durch das Gebäude im Stadtteil Pueblo Libre und danach durch den Stadtteil selbst  begonnen. Nach einem gemeinsamen Mittagessen waren wir noch auf einem Markt, um uns Snacks für die bevorstehende Fahrt zum eigentlichen Seminargelände zu kaufen (dort haben wir auch das Foto gemacht). Wieder im Gebäude des YMCA angekommen, war unser Bus bereits da, der uns nach Chosica, einem Stadtteil am Rand von Lima, bringen sollte. Also holten wir alle unsere Rucksäcke und unser Gepäck aus dem Raum, luden die Sachen in den Bus und gingen noch einmal auf die Toilette. Ich hatte mich dafür entschieden, zuerst mit ein paar Anderen auf Toilette zu gehen und dann meine Sachen in den Bus zu bringen - falsche Entscheidung, wie sich heraustellte. Denn als wir vom Bad wieder kamen, waren zwei Rucksäcke verschwunden - meiner und der einer Volontärin aus Bolivien. Zuerst dachten wir, dass die Rucksäcke vielleicht schon von einem anderen Freiwilligen in den Bus gebracht wurden. Aber nein - die Rucksäcke blieben verschwunden. Mit Hilfe meiner Eltern ließ ich meine deutsche Bankkarte sperren und während der Fahrt nach Chosica habe ich auch meine peruanische Bankkarte gesperrt. Im Rucksack befanden sich so ziemlich alle Wertsachen, die ich besaß - mein Handy, Kamera, ... aber auch meine Bibel, mein Kalender und Bargeld, das ich für den Urlaub abgehoben hatte. Aus diesem Grund habe ich jetzt auch eine neue Handy Nummer. Ihr könnt mich über Instagram oder E-Mail kontaktieren, dann schicke ich euch meine neue Nummer.
Als dieser Schock dann überwunden war, sind wir erstmal im Pool baden gegangen. Ja, das Gelände wo das Seminar stattfand hatte einen sehr schönen Pool. Aber auch sonst war die restliche Woche wirklich gelungen. Wir hatten Zeit für intensiven Austausch und bewusste Reflexion. Wir hatten Zeit mit Gott allein in der Stille, aber auch gemeinsam im Lobpreis und den täglichen Andachten. Wir hatten gutes peruanisches Essen mit manchmal zu viel Reis ;) und wir hatten einen kleinen Kater, der doch auch so unbedingt am Seminar teilnehmen wollte. Alles in allem war unser Halbjahresseminar ein guter Auftakt für den Urlaubsmonat März.

Zu meinem Urlaub und meinen Erlebnissen und Entdeckungen werde ich noch einen separaten Post hochladen. Trotzdem will ich kurz beschreiben, was in den darauffolgenden Wochen passiert ist. Zu Beginn war ich mit Jule, einer Mit-Volontärin aus Trujillo, für einige Tage in Huaraz zum Wandern. Danach haben wir eine Pause am Meer in Trujillo gemacht, bevor wir dann im Dschungel Maren getroffen haben. Am Sonntag, 15.03. sind wir von Tarapoto nach Lima zurück geflogen, um eigentlich mit Vera gemeinsam nach Oxapampa zu reisen. Wie gesagt - eigentlich... Denn die Dinge liefen anders als geplant.
Schon Anfang März hatte sich herauskristallisiert, dass unsere Eltern uns auf Grund der Coronakrise vermutlich gar nicht, oder nur sehr schwer in Peru besuchen können (die meisten hatten diesen Besuch auf Ende März oder Ostern gelegt). Es kamen zwar immer wieder Neuigkeiten, aber so richtig wusste ich diese nicht einzuordnen. Zumal ich in Gedanken sowieso vielmehr mit all den neuen Eindrücke und Urlaubserlebnissen beschäftigt war. Peru ist einfach so vielfältig und wunderbar!! Umso überraschter waren wir drei, als uns am Tag unseres Rückflugs aus dem Dschungel Nachrichten der Gastfamilien aus Lima erreichten: Brecht euren Urlaub ab! Kommt sofort zurück nach Lima! Es wird der Notstand ausgerufen! 15 Tage Quarantäne! Wir konnten diese Informationen nicht so richtig verarbeiten, da von offizieller Stelle noch keine Rückmeldung dazu gekommen war. Also beschlossen wir, erneut abzuwarten. In Lima angekommen, erfuhren wir, dass sich der Präsident am Abend in einer Pressekonferenz zu diesem Thema äußern würde. Der eigentliche Plan war, am Abend gemeinsam mit Vera mit dem Bus weiter nach Oxapampa zu fahren. Da die Lage sehr ungewiss war, entschieden wir uns, am Busbahnhof auf die Ergebnisse der Pressekonferenz zu warten und danach zu entscheiden, wie und ob wir unseren Urlaub fortsetzen wollen. Gesagt, getan. Maren und ich waren über Mittag in einem Café in Miraflores eingekehrt und genossen im wahrsten Sinne des Wortes unser Leben. Im Nachhinein vielleicht ein bisschen makaber, aber was bleibt einem denn anders übrig - angesichts der Lage... Wir erfuhren noch früh genug von den Ausmaßen, die die Coronakrise in Peru haben sollte. Am zeitigen Abend machten wir uns dann auf den Weg zum Busbahnhof, um dort Vera (die mit uns reisen sollte) und einige andere Mit-Volis zu treffen. Gespannt warteten wir - erst auf Vera und dann auf die Rede des Präsidenten. Als es soweit war, standen alle Leute auf und gingen eilig in die Nähe des Fernsehers, der in der Mitte der Halle angebracht war. Auf einmal war es wirklich leise und ein Mitarbeiten gab einer Dame hinter dem Schalter ein Zeichen, um die Lautstärke zu erhöhen, um ja kein Wort der Ansprache zu verpassen. Am Ende der Rede war klar: Peru ruft den Notstand aus, 15 Tage Quarantäne, Abbruch des Urlaubs und für Maren und mich: Rückzug nach Arequipa. Maren und ich gingen also sofort zum nächsten freien Schalter und kauften zwei Tickets für den Bus nach Arequipa, der zum Glück am selben Abend bereits in einer viertel Stunde abfuhr. Dieser Sonntag war ein auf und ab der Gefühle, aber es sollte erst der Anfang sein.

Ihr müsste wissen, das Peru ungefähr viermal so groß wie Deutschland ist. Und die Entfernung Lima-Arequipa entspricht ungefähr der Strecke Berlin-Rom. Das heißt der Bus, in dem wir uns befanden, war 18 Stunden unterwegs. Ihr dürft euch also nicht wundern, wenn ich schreibe: "Als wir am nächsten Morgen im Bus aufwachten..." ;)

Als wir am nächsten Morgen im Bus aufwachten, erhielten wir die nächsten erschreckenden Neuigkeiten - unser Freiwilligendienst muss abgebrochen werden. Da saßen wir also: mit Nachrichten, die wir nicht so richtig verarbeiten konnten, in einem Bus nach Hause nach Arequipa, statt wie eigentlich geplant in einem Bus nach Oxapampa, um unsere Reise fortzusetzen und konnten die Tränen nicht mehr zurück halten. Tausend Fragen im Kopf und noch mehr Gefühle im Herzen.

Inzwischen sind wir gut in der Quarantäne in Arequipa angekommen. Das Informationschaos und die Fragen haben sich ein bisschen gelichtet, aber nichtsdestotrotz ist vieles immer noch ungewiss.  Und wir beginnen langsam, die größte Neuigkeit von allen zu verarbeiten - unser Freiwilligendienst endet sechs Monate eher als geplant.
Das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat dringlich die Rückreise aller Volontäre wegen der COVID19-Pandemie empfohlen. Grund dafür ist weniger das Infektionsrisiko, als viel mehr die Verschärfung der Gesundheits-, Sicherheits- und Versorgungssituation. Schnell war klar, dass es auf "normalem Weg" (Reisebüro, Fluggesellschaft usw.) definitiv keine Flüge mehr geben würde. Die Grenzen sind geschlossen und jeglicher nationaler und internationaler Verkehr ist untersagt. Umso enger ist aktuell der Kontakt zur deutschen Botschaft über die Elefand Liste und eine neu eingerichtete app für das Rückholprogramm. Aktuell sind zwar Flüge nach Europa geplant, diese konnten aber bis jetzt nicht stattfinden, da es für diese Sonderflugzeuge noch keine Landegenehmigung gibt. Nach Stand heute (23.03.) sollen die Rückholflüge über den militärischen Teil des Flughafens ablaufen. Aber auch hierfür fehlt noch die Genehmigung von peruanischer Seite. Bei uns in Arequipa kommt noch hinzu, dass wir einen Zubringerflug nach Lima brauchen. Es bleibt also weiter spannend und wir sind auf eine kurzfristige Abreise eingestellt. Ich gewöhne mich langsam an den Gedanken, bald wieder in Deutschland zu sein, aber genieße gerade trotzdem jeden weiteren Tag in Arequipa. Wann und wie ich nach Deutschland kommen werde, ist trotz nach wie vor unklar.

Heute ist Dienstag, Tag acht in unserer Quarantäne in Peru. Ich bin gerade aufgestanden, habe meine Zähne geputzt und mir frische Sachen angezogen. Maren hat schon den Frühstückstisch gedeckt. Die Sonne scheint in unsere Küche. Von meinem  Platz am Tisch sehe ich den Misti in seiner vollen Pracht. Ich weiß, dass er in ein paar Stunden nicht mehr zu sehen sein wird, weil Wolken ihn verdecken werden. Aber das macht nichts. Denn ich weiß, dass er trotzdem da ist. Und mit etwas Glück sehe ich ihn morgen früh wieder :)

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